Kopfschmerzen und Covid 19

Veröffentlicht: 16.August 2022
Author:Julia Soschinski
Kopfschmerzen und Covid 19 

Kopfschmerzen werden als ein häufiges und früh einsetzendes Symptom einer Corona Infektion beschrieben. Gewöhnlich vergeht der Kopfschmerz nach einer Dauer von rund 2 Wochen wieder.  In einigen Fällen bleibt der Kopfschmerz aber nach der Akutphase der Infektion weiterbestehen und stellt ein Symptom des sogenannten Long/ Post Covid Syndroms dar.

Long Covid und Post Covid

Die Leitlinienempfehlung des britischen National Institut for Health and Care Excellence (NICE) definiert Long Covid als gesundheitliche Beschwerden, die jenseits der akuten Krankheitsphase von 4 Wochen fortbestehen oder neu auftreten und als Folge der Covid 19 Infektion verstanden werden können. Ein einheitliches Krankheitsbild gibt es bislang nicht. Zu den häufigsten Beschwerden zählen Müdigkeit, Fatigue (Erschöpfungssyndrom), Kurzatmigkeit, Schlafstörungen, Gedächtnis und Konzentrationsprobleme, Muskelschwäche und –schmerzen, sowie Kopfschmerzen. Als Post-COVID-Syndrom werden Beschwerden bezeichnet, die noch mehr als 12 Wochen nach Beginn der SARS-CoV-2-Infektion vorhanden sind und nicht anderweitig erklärt werden können. (S1 Leitlinie Post-Covid/Long-Covid, AWMF Register Nr. 020/027)

Kopfschmerzen als Long/ Post Covid Symtpom

Kopfschmerzen treten im Rahmen eines Long und Post Covid Syndroms sehr häufig auf. Bei rund 45 % der Betroffenen bleiben die Kopfschmerzen auch nach der Akuterkrankung bestehen. Bei 16,5 % der Fälle auch noch 60 Tage nach der Erkrankung und bei 10,6 % noch nach 90 Tagen. Nach einem halben Jahr leiden immerhin noch rund 8 Prozent an dauerhaften Kopfschmerzen. Bei bisher rund 30 Millionen bestätigten Infektionen alleine in Deutschland und stetig weiter zunehmenden Infektionszahlen kommt man schnell auf eine beträchtliche Anzahl Betroffener (Sampaio et al 2022).  Dabei kann sich der Kopfschmerz in unterschiedlichen Formen manifestieren. Bereits vor der Covid Erkrankung vorliegende Kopfschmerzen können durch die Infektion zunehmen, oder aber der Kopfschmerz tritt nach durchgemachter Infektion zum ersten Mal auf. Auch der Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens variiert. So kann der Schmerz bereits während der akuten Krankheitsphase auftreten und im Anschluss bestehen bleiben, in manchen Fällen tritt er aber auch erst mit zeitlicher Verzögerung auf. Sehr häufig werden Kopfschmerzen von anderen Symptomen begleitet. So wird zum Beispiel häufig das gleichzeitige Auftreten einer Hyposmie (eine Riechstörung) festgestellt.

Verschiedene Kopfschmerzarten

Es werden unterschiedliche  Kopfschmerztypen unterschieden, z.B. ein migräneartiger Kopfschmerz oder aber spannungsartige Kopfschmerzen. In diversen Studien gab die Mehrzahl der Patient*innen mit vorbestehenden Kopfschmerzen an, dass sich die mit Covid 19 in Zusammenhang stehenden Kopfschmerzen von ihren bisherigen Schmerzen unterscheiden. Sie wurden häufig als beidseitig und dumpf-drückend beschrieben (ähnlich des Spannungskopfschmerzes). Des Weiteren sind ein Teil der Patient*innen auch von typischen Migräne-Symptomen, wie der Geräusch- und Lichtempfindlichkeit, oder Übelkeit betroffen. Haben die Betroffenen bereits vor der Corona Infektion regelmäßig unter primären Kopfschmerzen gelitten, haben sie ein höheres Risiko für das Auftreten von Long/ Post Covid Kopfschmerzen (Caronna et al 2020). Unter der Begrifflichkeit der primären Kopfschmerzen werden alle Kopfschmerz-Arten zusammengefasst, die keine bestimmte Ursache, wie eine Erkrankung oder ein Unfall, haben. Im Gegensatz dazu sind sekundäre Kopfschmerzen auf eine bestimmte Ursache zurückzuführen.

Mögliche Ursachen der Long/ Post Covid Kopfschmerzen

Die Ursachenforschung steckt noch in den Kinderschuhen. Diskutiert werden eine dauerhafte Aktivierung des Immunsystems und des trigeminovaskulären Systems (=Das trigeminovaskuläre System besteht aus Neuronen im Trigeminusnerv, dem 5. Hirnnerv, die das Großhirn betreffende Blutgefäße mit den von den Nerven aufgenommenen Reizen versorgen). In neueren Forschungsarbeiten wird das Augenmerk auf eine Beteiligung des sog. Inflammason gelegt. Dabei handelt es sich um einen Eiweißkomplex des angeborenen Immunsystems, welches, vereinfacht formuliert, für die Aktivierung von Entzündungsreaktionen, genauer für die Freisetzung von Entzündungsbotenstoffen verantwortlich ist. Aktuell geht man von einer NLRP3 Inflammasom-Aktivierung durch das Spike-Protein des Virus aus.

Bleibende Kopfschmerzen nach einer Virusinfektion

Langanhaltende Kopfschmerzen nach einer Virusinfektion sind nicht neu. Eine Influenza (Grippeinfektion) kann mit monatelangen „Nachwehen“ in Form von unter anderem Kopfschmerzen einhergehen und auch das Eppstein Barr Virus kann zu sehr hartnäckigen Kopfschmerzen führen. Gleichwohl nicht so häufig, wie es bei Covid 19 zu sein scheint. Bleibende Kopfschmerzen im Rahmen des Long Covid Syndroms weisen große Ähnlichkeit mit dem sogenannten NDPH auf. NDPH (new daily persistent headache) steht für neu aufgetretener persistierender täglicher Kopfschmerz. Bei dieser Kopfschmerzerkrankung kommt es zu anhaltenden, von Anfang an täglich auftretenden Kopfschmerzen ohne organische Ursache. Der NDPH ist bis heute noch nicht genau verstanden, aber auch dieser Kopfschmerz-Typus tritt häufig in Zusammenhang mit vorausgegangenen Virusinfektionen auf.  Eine vergangene Covid 19 Infektion scheint ein Trigger für das Auftreten des NDHP zu sein. Historische Aufzeichnungen lassen vermuten, dass NDPH nach der sogenannten „Russischen Grippe“ zwischen 1889-1892 ein weit verbreitetes Symptom war. Der Ausbruch der Russischen Grippe zeigt große Gemeinsamkeiten mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Auch sie war eine pandemische Atemwegsinfektion, der bis zu eine Millionen Menschen weltweit zum Opfer fielen und auch schon damals hatten viele Infizierte Langzeitsymptome.

Hoffnung auf neue Erkenntnisse

Die weitere, dringend benötigte Erforschung von Long und Post Covid Kopfschmerzen lässt die Hoffnung zu, dass auch andere Formen von primären Kopfschmerzen, so auch der NDPH, in Zukunft besser verstanden und behandelt werden können und das Verständnis der Rolle von chronischen Entzündungen bei Kopfschmerzen gefördert wird.

Behandlungsempfehlungen für Long/ Post Covid Kopfschmerzen

Bis dato gibt es noch keine spezifische Behandlungsempfehlung für Long und Post Covid Kopfschmerzen. Die Therapie richtet sich nach den allgemeinen Behandlungsleitlinien von langanhaltenden und chronischen Kopfschmerzen. Wie bei allen anhaltenden Schmerzen stellt die Chronifizierung ein großes Risiko dar. Starke Schmerzreize können Spuren im Nervensystem hinterlassen und die Empfindlichkeit für Schmerzreize erhöhen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von der Entstehung eines Schmerzgedächtnisses.

Vorsicht bei der Einnahme von frei verkäuflichen Schmerzmitteln

Covid 19 assoziierte Kopfschmerzen sprechen in der Regel recht gut auf herkömmliche Kopfschmerzmedikamente an. Diese können aber aus zwei Gründen problematisch sein: Zum einen ist bekannt, dass Covid 19 die Nieren angreift und die Gruppe der NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika), zu der auch der Wirkstoff Ibuprofen gehört, kann bei längerer Einnahme die Nieren schädigen. Aus diesem Grund ist eine längere Einnahme ohne ärztliche Kontrolle und regelmäßige Labor-Kontrollen nicht zu empfehlen. Zum anderen wird beschrieben, dass Long/ Post Covid Kopfschmerzen täglich auftreten können, was zu einer zu häufigen Schmerzmitteleinnahme verführt. Die tägliche Einnahme an Kopfschmerzmitteln darf aber nicht zur Normalität werden, denn Kopfschmerztabletten können bei zu häufiger Einnahme neue, sogenannte medikamenteninduzierte Kopfschmerzen, auslösen. Es entsteht ein Teufelskreislauf, der unbedingt vermieden werden sollte.

Der Komplexität des Beschwerdebildes kann man nur in einem vielschichtigen interdisziplinären Setting gerecht werden.

Analog zu anderen chronischen Schmerzerkrankungen sollte die Behandlung aus einer Kombination verschiedener Behandlungsbausteine bestehen. So ist neben der medikamentösen Therapie durch eine/n Schmerztherapeut*in eine bewegungstherapeutische und/oder psychotherapeutische Behandlung anzuraten.  Die fachübergreifende Diagnostik und Therapie erfolgt idealerweise in einer auf chronischen Schmerz spezialisierten Tagesklinik.

Nicht jeder Kopfschmerz nach einer Corona-Infektion ist ein Long/ Post Covid Symptom

Nicht jeder, der nach einer durchgemachten Covid 19 Infektion häufiger an Kopfschmerzen leidet, leidet automatisch an Long/Post Covid Kopfschmerzen. Auch das Missverhältnis von verminderter Leistungsfähigkeit nach der Infektion (viele Covid Betroffenen benötigen Zeit, um zu ihrer ursprünglichen körperlichen und kognitiven Verfassung zurück zu finden) und gleichbleibenden hohen Ansprüchen und Anforderungen des und an die/den Betroffene/n kann zu vermehrten Spannungskopfschmerzen führen. Die unsichere Zeit die wir gerade erleben steigert zudem das allgemeine Stressniveau und dadurch auch die Schmerzwahrnehmung, bzw. sie verschlechtert die Verarbeitung von Schmerzzuständen.

Sollten die Schmerzen aber sehr stark und/oder hartnäckig sein, wird der Besuch einer/s Schmerzexpert*in empfohlen. Die interdisziplinäre, multimodale Schmerztherapie ist dabei analog zu anderen chronischen Kopfschmerzen die am besten geeignete Therapieform. (Gaul et. al 2011)

Sollten Sie betroffen sein und/oder haben Fragen zu der Thematik ist unser Team der Tagesklinik gerne für Sie da.