Trigeminusneuralgie: Schlagartig unerträglich

Veröffentlicht: 24.Januar 2023
Author:Julia Soschinski

Wir danken Frau Dr. Tamina Brinkschmidt, ärztliche Leitung des Algesiologikum MVZ und unserem Kollegen PD Dr. med. Jan-Hinnerk MehrkensOberarzt, Leiter Funktionelle Neurochirurgie – Klinikum der Universität München, für die gemeinsame und lehrreiche Darstellung des Beschwerdebildes der Trigeminusneuralgie und deren Therapieoptionen in der ersten interdisziplinären Schmerzkonferenz in diesem Jahr. 

Trigeminusneuralgie: Was ist das? 

Der Trigeminusnerv, auch Drillingsnerv genannt, ist der V. Hirnnerv. Dieser versorgt über seine drei Äste den oberen Kopfbereich, die Stirn, Augen, Nase, Ober- und Unterkiefer sowie das Kinn mit sensibler Wahrnehmung. Ebenso ist er für die motorische Kaumuskulatur zuständig. Die Trigeminusneuralgie ist eine zumeist chronische Schmerzerkrankung. Die internationale Kopfschmerzklassifikation (IHS-Classification ICHD-3), in der die Diagnosekriterien für alle bekannten Kopfschmerzformen zu finden ist, definiert die Trigeminusneuralgie wie folgt:  

Die Trigeminusneuralgie ist ein wiederkehrender einseitiger Gesichtsschmerz, der durch kurze, stromstoßartige Schmerzattacken gekennzeichnet ist, die auf das Versorgungsgebiet eines einzelnen Astes oder mehrerer Äste des N. trigeminus beschränkt sind.

Der Schmerz wird gewöhnlich durch harmlose Reize ausgelöst. Er kann sich ohne offenkundige Ursache entwickeln oder Folge einer anderen diagnostizierten Störung sein.  Die Attacken dauern nur wenige Sekunden bis zu zwei Minuten, wiederholen sich aber und können von mittelstarken Dauerschmerzen im Versorgungsast des betroffenen Nervenastes begleitet werden.  

Vorkommen

Die Trigeminusneuralgie ist keine häufig auftretende Erkrankung, die Inzidenz liegt zwischen 12,6 und 27 auf 100.000 Personen. Dabei sind Frauen (60%) deutlich häufiger betroffen als Männer (40%). Für gewöhnlich tritt sie im Durchschnitt in der 6. Lebensdekade (53–57 Jahre) auf.  

Ursachen der Trigeminusneuralgie

Ursache der klassischen Trigeminusneuralgie (mit rund 75% die häufigste Form der Trigeminusneuralgie) ist nach heutigem Wissenstand eine Kompression eines Blutgefäßes im Bereich des Austritts des Trigeminusnervs am Hirnstamm. In rund 10 Prozent der Fälle liegt eine sogenannte idiopathische Trigeminusneuralgie vor; in diesem Fall lässt sich keine greifbare Ursache beschreiben. Die sekundäre Trigeminusneuralgie (15 % der Fälle) wird durch andere (neurologische) Erkrankungen hervorgerufen; als Auslöser kommen hier u.a. Tumore, Gefäßmissbildungen oder eine Multiple Sklerose in Betracht.

Diagnose Trigeminusneuralgie

Diagnostiziert wird die Trigeminusneuralgie primär klinisch. Ein MRT (Magnetresonanztomografie) mit einer Dünnschichtsequenz im Bereich des Austritts des Trigeminus aus dem Hirnstamm ist im Rahmen der Diagnostik, auch als Ansatzpunkt für die richtige Therapie, zu empfehlen. Alternative Erklärungen für das Auftreten der Symptome müssen ggfs. im Rahmen einer erweiterten Diagnostik ausgeschlossen werden. So kommen hier u.a. Erkrankungen des Kiefers/ der Zähne/ der Nebenhöhlen, oder trigeminoautonome Kopfschmerzen wie z.B./ das SUNCT und SUNA in Frage, die sich jedoch neben den attackenförmigen Schmerzen durch ausgeprägte autonome Begleitsymptome auszeichnen. 

Therapie

Die Trigeminustherapie wird zunächst medikamentös behandelt. Der Einsatz von traditionellen Schmerzmitteln hat bei diesem Krankheitsbild, auch wegen der sehr kurzen Dauer des Schmerzes, keinen großen Nutzen. Zur Verfügung stehen Medikamente, Antikonvulsiva – Erstlinienpräparat ist das Carbamazepin – unter denen jedoch häufig belastende Nebenwirkungen auftreten, die die Einnahme dann limitieren. Oft werden zwei Präparate eingesetzt, die geringer dosiert werden können, um die Nebenwirkungen zu reduzieren. Die Medikation ermöglicht, die Symptomatik zumeist relevant zu lindern. Im Rahmen der medikamentösen Therapie sollten immer wieder Reduktions-/Auslassversuche unternommen werden, denn Spontanremissionen sind im Verlauf häufig und bei etwa einem Drittel der Patienten dauerhaft. Sollte die medikamentöse, konservative Therapie nicht zu dem gewünschten Erfolg führen, stehen zudem interventionelle und operative Verfahren zur Verfügung. Die sogenannte Jannettaoperation (Mikrovaskuläre Dekompression) ist der operative Eingriff, der die Ursache der klassischen Trigeminusneuralgie, nämlich den Nerv schädigenden Gefäß-Nervenkontakt beseitigt und gute Langzeitergebnisse aufweist. Mit Spannung wird die neue Leitlinie zur Trigeminusneuralgie erwartet, die voraussichtlich im Frühling 2023 erscheinen und die wissenschaftliche Evidenz zur Therapie der Trigeminusneuralgie zusammenfassen und über das empfohlene diagnostische und therapeutische Prozedere informieren wird.