Schmerzen im ISG (Iliosakralgelenk)
Veröffentlicht: 14.Januar 2025
Author:Julia Soschinski
Schmerztherapeutische Behandlungsstrategien bei Schmerzen im ISG (Iliosakralgelenk)
Wir danken Herrn Dr. Dimitrios Koulousakis, Leitender Oberarzt im Zentrum für Neuromodulation am Algesiologikum Zentrum für Schmerztherapie, für die Präsentation der vielfältigen Behandlungsmethoden bei Schmerzen im Iliosakralgelenk in unserer gestrigen Schmerzkonferenz.
Zunächst: Was ist das Iliosakralgelenk (ISG) und wann spricht man vom sogenannten ISG Syndrom?
Das Iliosakralgelenk, kurz ISG, sorgte lange Zeit für Diskussionen in der Wissenschaft: Handelt es sich überhaupt um ein echtes Gelenk? Die Beweglichkeit des ISG ist nämlich stark eingeschränkt, da es von äußerst straffen Bändern und kräftigen Muskeln stabilisiert wird. Diese besondere Konstruktion hat jedoch einen wichtigen Grund: Als Verbindung zwischen Kreuzbein und den beiden Beckenschaufeln ist das ISG eine zentrale Schaltstelle zwischen Rumpf und Beinen. Es muss bei jedem Schritt große Lasten tragen und abfedern. Trotz seiner geringen Beweglichkeit gilt das ISG heute offiziell als Gelenk.
Das sogenannte ISG-Syndrom ist ein Sammelbegriff und beschreibt schmerzhafte Veränderungen im Iliosakralgelenk oder den umliegenden Strukturen. Die Beschwerden treten häufig als starke Schmerzen im unteren Rücken auf, die in den Po oder die Leiste ausstrahlen können. Besonders belastend sind oft alltägliche Bewegungen wie das Treppensteigen, die bei Betroffenen Schmerzen auslösen können.
Ursachen des ISG Syndroms
Ursachen für das ISG-Syndrom können unterschiedlich sein: Angeborene oder langfristige Erkrankungen wie Arthrose oder Rheuma können ebenso zu Problemen führen wie plötzliche Bewegungen, bei denen sich das Gelenk verdreht oder verkantet. Häufiger jedoch sind es ungesunde Haltungen oder einseitige Belastungen, wie langes Sitzen oder falsche Bewegungsmuster, die das ISG belasten und Schmerzen verursachen. Auch Fehlstellungen der angrenzenden Gelenke, wie der Hüfte oder der Lendenwirbelsäule, können das ISG in Mitleidenschaft ziehen.
Diagnose des ISG Syndroms
Um ISG-Probleme korrekt zu diagnostizieren, ist es wichtig, die Ursache der Beschwerden zu ermitteln, da sie oft mit anderen Problemen, wie einem Bandscheibenvorfall, verwechselt werden können. Bei einer ärztlichen Untersuchung werden typische Symptome wie Schmerzen im unteren Rücken und ausstrahlende Schmerzen in die Beine oder die Leiste berücksichtigt. Eine genaue Diagnose hilft dabei, die passende Behandlung einzuleiten.
Diagnostische Blockaden – Der erste Schritt zur Klarheit
Diagnostische Blockaden sind eine wichtige Maßnahme, um die genaue Schmerzursache im ISG zu identifizieren. Dabei wird unter bildgebender Kontrolle (z. B. Röntgen oder Ultraschall) eine geringe Menge eines Lokalanästhetikums in das Gelenk gespritzt. Folgende Ziele stehen im Vordergrund:
- Schmerzlinderung: Wenn die Schmerzen nach der Injektion signifikant abnehmen (um mehr als 70 %), deutet dies darauf hin, dass das ISG die Hauptursache der Beschwerden ist.
- Präzise Diagnostik: Die Blockade hilft, zwischen ISG-bedingten Schmerzen und anderen Ursachen wie Bandscheibenvorfällen oder Hüftproblemen zu unterscheiden.
- Prognose und Vorsorge: Eine deutliche Reduktion der Schmerzen nach einer Blockade lässt positive Rückschlüsse auf den potenziellen Behandlungserfolg einer lokalen (interventionellen) Therapie zu. Zudem ist die Blockade vor einem interventionellen Eingriff hilfreich, um postoperative Schmerzen zu verhindern.
Die Ergebnisse dieser Blockaden werden detailliert dokumentiert und dienen als Grundlage für die Wahl der weiteren Behandlung.
Therapieoptionen
Die konservative Behandlung ist meist der erste Schritt bei der Therapie des ISG-Syndroms. Sie umfasst:
- Physiotherapie und Bewegungstherapie: Diese helfen, die Muskulatur rund um das ISG zu stärken und die Beweglichkeit zu verbessern. Übungen zur Stabilisierung der Lendenwirbelsäule und des Beckens sind oft hilfreich.
- Medikamentöse Therapie: Zur Schmerzlinderung werden häufig schmerzlindernde und entzündungshemmende Medikamente eingesetzt. Diese helfen, akute Beschwerden zu lindern und die Bewegungsfreiheit zu verbessern.
- Manuelle Therapie: Hierbei werden gezielte Techniken angewendet, um das ISG zu mobilisieren und die Gelenkfunktionen zu verbessern.
Interventionelle Verfahren – Wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichen
Sollte die konservative Therapie nicht den gewünschten Erfolg bringen, kommen interventionelle Methoden zum Einsatz. Diese sind gezielter und greifen direkt am Schmerzpunkt ein.
- ISG-Infiltrationen
- Was ist das?
Eine Injektion von Lokalanästhetika und oft auch Kortikoiden direkt ins ISG. - Wie funktioniert es?
Unter Röntgenkontrolle wird die Nadel präzise positioniert, um die Wirkstoffe an die richtige Stelle zu bringen. - Ziel: Schmerzreduktion und Entzündungshemmung.
- Wiederholung: Bei Erfolg können die Injektionen im Abstand von 4–6 Wochen wiederholt werden.
- Radiofrequenztherapie
- Was ist das?
Eine gezielte Behandlung, bei der die schmerzleitenden Nerven durch Hitze unterbrochen werden. - Wie funktioniert es?
Mit einer speziellen Sonde wird eine Temperatur von 75–90°C erzeugt, die die Nervenenden verödet. - Ziel: Langfristige Schmerzlinderung.
- Dauer: Die Behandlung dauert wenige Minuten, der Effekt kann jedoch Monate anhalten.
- Neuromodulation
- Was ist das?
Eine fortgeschrittene Methode, bei der elektrische Impulse eingesetzt werden, um die Schmerzwahrnehmung zu beeinflussen. - Möglichkeiten:
- Rückenmarkstimulation (SCS): Elektroden werden im Spinalkanal implantiert.
- Periphere Nervenstimulation (PNS): Gezielt wird der Nerv, der das ISG versorgt, stimuliert.
- Wann wird es eingesetzt?
Bei chronischen und therapierefraktären Beschwerden, wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind.
Ein multimodaler Ansatz – Der Schlüssel zum Erfolg
Da die Ursachen und Beschwerden des ISG-Syndroms sehr unterschiedlich sein können, wird oft ein kombinierter Ansatz gewählt. Die Kombination von Bewegungstherapie, medikamentöser Unterstützung und gegebenenfalls interventionellen Verfahren zeigt in vielen Fällen die besten Ergebnisse. Wichtig ist, wie bei allen chronischen Schmerzerkrankungen, dass die Therapie individuell auf die Bedürfnisse und Lebensumstände der/ des Patient*in abgestimmt wird.